Editorial
Bundesverfassungsgericht: Öffentlich-Rechtliche gestärkt
Mit Bestürzung haben wir am vergangenen Sonntag vom Überfall auf unseren Verdi-Kollegen Jörg Reichel erfahren. Der Landesgeschäftsführer unser Schwestergewerkschaft, der dju in ver.di, wurde von durch Kreuzberg ziehenden Teilnehmern der polizeilich aufgelösten Querdenker-Demos vom Fahrrad gestoßen und misshandelt. Er musste mit Verletzungen an den Beinen und Schultern im Krankenhaus behandelt werden. Wie schon oft hatte Reichel die Demonstrationen begleitet, um sich selbst ein Bild zu machen. Seine Tweets dokumentierten die gewaltbereite Atmosphäre auch an diesem Tag: „Wurf einer vollen Getränkedose auf einen Journalisten (Schulter). Journalist leicht verletzt“, schrieb Reichel da unter dem Hashtag #Pressefreiheit, oder „Teilnehmer spuckt Journalist*in ins Gesicht.“
Jörg Reichel konnte das Krankenhaus zum Glück schon bald wieder verlassen. Wir sprechen ihm hier nochmal unsere Solidarität und Anerkennung für sein Engagement aus und wünschen ihm baldige Genesung.
Längst sind es keine Übergriffe von Einzeltätern mehr, sondern gezielte Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten. Wir sind mit der Polizei schon seit längerem im Dialog, um die Sicherheit bei der Berichterstattung zu verbessern. Die Polizei muss bei ihren Einsatzplanungen auch dafür Sorge tragen, dass Berichterstattung und Recherche im Umfeld solcher Demonstrationen möglich bleiben.
Immerhin gibt es in dieser Woche auch erfreulichere Themen: Mit seinem Urteil zum Rundfunkbeitrag hat das Bundesverfassungsgericht die Position der Öffentlich-Rechtlichen gestärkt. Zum einen hat es die wegen fehlender Zustimmung aus Sachsen-Anhalt nicht umgesetzte Erhöhung des Beitrags um 86 Cent jetzt in Kraft gesetzt. Zum anderen ist das Verfahren zur Feststellung des Finanzbedarfs durch die Expertenkommission KEF bestätigt und deren Position gestärkt worden.
Noch wichtiger: Karlsruhe hat künftigen Alleingängen einzelner Bundesländer einen Riegel vorgeschoben. Im Beschluss heißt es: „Im gegenwärtigen System der Rundfunkfinanzierung ist eine Abweichung von der Bedarfsfeststellung der KEF nur durch alle Länder einvernehmlich möglich.“ Damit erklärt das Gericht Aktionen einzelner Länder wie jetzt von Sachsen-Anhalt für unzulässig. Künftig ist die Staatsferne der Rundfunkfinanzierung besser abgesichert. Wenn das Abweichen von einer KEF-Empfehlung nur noch von allen Ländern gemeinsam beschlossen werden kann, geht die Wahrscheinlichkeit eines solchen Beschlusses gen null.
An einer anderen Stelle aber hat die Politik aber weiterhin Gestaltungsspielraum und muss ihn auch haben: Sie erteilt per Staatsvertrag die Aufträge an die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Hier allerdings stocken die Reformen seit Jahren, Partikularinteressen einzelner Länder blockieren eine Reform, die den Namen wirklich verdient.