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Berichterstattung aus Moskau:

Bleiben oder gehen?

11.03.2022

Der schreckliche Krieg in der Ukraine bestimmt seit mehr als zwei Wochen unser gesamtes Mediengeschehen. Von russischer Seite wird er auch als Informationskrieg geführt - gegen die eigenen Journalistinnen und Journalisten und gegen ausländische Medien.

Das Sondergesetz, das bei angeblichen „Falschinformationen“ über die russischen Streitkräfte mit 15 Jahren Haft droht, ist reine Willkür. Nicht einmal das Wort „Krieg“ darf benutzt werden, stattdessen ist von einer „militärischen Sonderoperation“ zu sprechen.

Als erste Reaktion hatten am vergangenen Wochenende alle großen Sender von BBC und CNN bis zu ARD und ZDF ihre Berichterstattung aus Moskau eingestellt. Die Deutsche Welle, deren Büro auf Putins Anordnung ja schon vor Kriegsbeginn Anfang Februar dicht gemacht wurde, weicht nun in die lettische Hauptstadt Riga aus. Das macht Sinn, da der Kreml die DW besonders auf dem Kieker hat - als Retourkutsche auf das Verbot des Propagandasender RT.DE.

Seit Dienstag berichtet die BBC jetzt wieder aus Moskau. Auch BILD-Korrespondent Peter Tiede und Rainer Munz von RTL sind meines Wissens noch in Moskau. Das macht Sinn, selbst wenn sie nur noch eingeschränkt berichten können. Peter Tiede hat jetzt im Interview mit dem Fachdienst meedia gesagt, er kritisiere niemanden, der aufgrund der Lage lieber Russland verlässt. Doch die Entscheidung zu bleiben oder zu gehen müssten die Betroffenen vor Ort mit ihren Redaktionen treffen.

Diejenigen, die weitermachen, verdienen unseren Respekt und unsere volle Unterstützung - genauso wie die, die sich anders entscheiden. Sich vor Ort ein Bild zu verschaffen, was in Moskau vor sich geht, wie die Stimmung auf den Straßen ist, kann durch Informationen aus dritter Hand nicht ersetzt werden. Wer bleibt, ist nach meiner Meinung auch kein Abenteurer oder Hasardeur. Tiele hat klar seine „roten Linien“ benannt, bei deren Eintreten auch er Moskau verlassen würde. Er merkt zu Recht aber an, dass die Lage dort aktuell sicherer ist als an vielen Orten der Ukraine, aus denen aktuell berichtet wird.

Auch das kann sich täglich ändern. Trotzdem sollte uns klar sein, dass unsere deutschen und internationalen Kolleginnen und Kollegen immer in einer deutlich privilegierteren Situation sein werden als die vielen russischen Journalistinnen und Journalisten, die dem Kreml kritisch gegenüberstehen und viel eher 15 Jahre Gefängnis fürchten müssen. Reporter ohne Grenzen hat jetzt schon eine Liste von weit über hundert, die Russland verlassen wollen und Visa benötigen.

Steffen Grimberg

News JVBB