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Redaktionsbesuch "Neues Deutschland"

„Journalismus von links“ – was kann das bedeuten?

04.07.2024

Fotos: Christian Walther

Am 4. Juli 2024 besuchten zehn DJV-Mitglieder die Redaktion von „Neues Deutschland“ am Franz-Mehring-Platz 1 in Berlin-Mitte. Es gab eine spannende, anregende, fast zweistündige Diskussion mit dem Leiter des Feuilletons, Christof Meueler und der online-Redakteurin Negin Bahkam. Organisiert hatten die Besichtigung Gerhard Kothy, Gudrun Küsel und Christian Walther.

Ein paar Meter vom Ostbahnhof durch die Straße der Pariser Kommune, vorbei an DDR-Neubauten, schon von weitem ist das wuchtige Gebäude auf dem Franz-Mehring-Platz zu sehen. Im Jahr 1972 als Gegenpol zum neuen Springer Hochhaus in Betrieb genommen. Die Druckerei produzierte nicht nur das SED-Organ „Neues Deutschland“ mit damals über einer Million Auflage, sondern auch sieben weitere Tageszeitungen, 19 Wochenzeitungen, 48 Betriebszeitungen, etliche Zeitschriften, SED-Publikationen sowie Schulbücher und belletristische Werke.

Zehn Journalisten des DJV Berlin betreten die große Eingangshalle. Historische Abbildungen zum Thema Arbeiter-Turnen sind an den Wänden plakatiert. Etwa „Frauen im Arbeiterfußball“ – Anfang des 20. Jahrhunderts schossen sie noch in Pluderhosen die Tore. In der zweiten Etage sind die Gäste am Ziel – besuchen das heutige „Neues Deutschland“, das „nd“. Es hat hier die Etage gemietet. „Das neue nd wollte nicht mehr politisch aggressiv auftreten, nicht mehr stalinistisch sein“, erklärt Christof Meueler, seit 2018 Literatur- und Feuilleton-Chef, früher 17 Jahre lang Redakteur der linksgerichteten Zeitung „Junge Welt“. Dennoch sei das „nd“ immer noch eher eine „Ost-Zeitung“ – natürlich mit stark verkleinerter Auflage.

„Im letzten Jahr haben unsere Abonnenten uns gerettet“, erzählt Meueler den Besucher-Journalisten. Sie kauften Genossenschaftsanteile, spendeten Geld, und es gab viele neue Abos. Und wer sind die Leser des heutigen „nd“? „Ältere Leute, sehr alte Leute, meistens in Berlin und Brandenburg, aber auch in Hamburg und Leipzig. Auch jüngere, woke, Leser mögen uns.“ Das „nd“ können die zehn- bis zwölftausend festen Abonnenten Montag bis Freitag lesen, am Sonnabend gibt es eine Wochenausgabe für Käufer. Fast alle Artikel sind auch online, betont die aus Teheran stammende Redakteurin Negin Behkam.

Die Redaktion besteht aus 60 Personen, viele davon arbeiten in Teilzeit. Die Gehälter und Honorare seien nicht allzu hoch, sagt Christof Meueler. Im Gegensatz zu den Lesern seien die Redakteure sehr jung. Man sei seit drei Jahren nicht mehr parteigebunden. Viele Leser seien inzwischen BSW-orientiert. „Aber Sarah Wagenknecht gibt uns kein Interview.“ Die politische Ausrichtung des „nd“? Beim Gaza-Konflikt sei die Meinung geteilt, doch die Palästina-solidarischen Mitarbeiter gewännen an Boden. Ist steigender Antisemitismus ein wichtiges Thema, fragt eine DJV-Besucherin. „Ja, das ist es.“ Ukraine-Konflikt? Man sei für die Unterstützung der Ukraine, aber gegen Putin und gegen Aufrüstung und Militarisierung. Ein wenig gemischt also. Überhaupt – wie definiert sich heute „links“? In den Fluren der Redaktionsräume liegen Aufkleber zum Mitnehmen herum. Auf denen steht: „Journalismus von links“ und: „nd – zu links für dich“ – „Damit Kapitalismus nicht alles ist“ - „Wir haben schon einmal einen Staat ruiniert“…

Gudrun Küsel

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