Zur morgigen Mitgliederversammlung:
Für einen zukunftsfähigen DJV
Morgen ist Mitgliederversammlung - und die Wochen davor waren alles andere als unturbulent.
Zwei höchst erfolgreiche Warnstreiks mit deutlich mehr Resonanz als zunächst erwartet beim Tagesspiegel und beim rbb haben klare Kante gezeigt. Nun gilt es, diesen Schwung für die anstehenden Tarifverhandlungen zu nutzen - für die Angleichung an den Flächentarif beim Tagesspiegel und für faire Bestandsschutzregeln für programmgestaltende freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim rbb.
In diesen Wochen hat das Pressfreiheitsranking von Reporter ohne Grenzen (RSF) Deutschland wie schon 2021 weiter zurückgestuft. Vor allem wegen der vielen und immer massiver werdenden An- und Übergriffe auf Kolleginnen und Kollegen bei Corona-Demonstrationen. Gleichzeitig ist Krieg mitten in Europa, und die Fronten sind so verhärtet, dass wir als DJV am Tag der Pressefreiheit nicht einmal wie geplant gemeinsam mit unserem Bundesvorsitzenden Frank Überall eine Protestnote bei der russischen Botschaft abgeben konnten.
In diesen turbulenten Zeiten treffen wir uns zur Mitgliederversammlung, um so vermeintlich trivialen Dingen wie Satzungsänderungen nachzugehen. Doch diese sind alles andere als trivial. Wir müssen Weichen stellen, um den DJV in der Hauptstadtregion, aber vor allem auch in den ostdeutschen Bundesländern zukunftsfähig aufzustellen. Dazu werden wir morgen bei der Mitgliederversammlung auf der Formalen (Satzung!), aber auch auf der ganz praktischen Ebene wichtige Beschlüsse fassen und einen Generationswechsel in der Geschäftsführung einläuten.
Viele von Ihnen und Euch wissen es schon: Michael Rediske, der den DJV über fast zwei Jahrzehnte in unserer Region repräsentierte - ach was: der DJV war und ist -, geht Mitte des Jahres in den Ruhestand. Wer Michael kennt, weiß, dass das mit der Ruhe nicht einmal symbolisch gemeint ist. Und es ist zu früh für offiziellen Dank und Abschied - um es mit dem legendären Prof. Bömmel aus der „Feuerzangenbowle“ zu sagen: „Dat krieje mer später!“
Jetzt geht es um die Zukunft. Für einen starken DJV, der den Veränderungen in unserer Medienlandschaft Rechnung trägt. Der sich offen zeigt - für neue journalistische Berufsbilder und Rollen. Für neue Ansätze in der Tarif- und Medienpolitik. Für Aktionsformen und Projekte über die klassische Gewerkschaftsarbeit hinaus.
Apropos klassische Gewerkschaft: Der Warnstreik beim rbb führt auch zu einer personellen Veränderung in unserem Vorstand. Unser stellvertretender Vorsitzender Andreas Oppermann, Redaktionsleiter des rbb-Studios Frankfurt/Oder, hat wegen einer zu knappen „Vorwarnzeit“ und angesichts einer für Brandenburg höchst wichtigen Nachrichtenlage (Tesla) nicht am Ausstand teilgenommen, sondern ist live vor der Kamera aufgetreten. Dies hat bei den Kolleginnen und Kollegen im rbb zu Unverständnis geführt. Wir haben am Dienstag miteinander gesprochen. Und wie viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an diesem Gespräch zolle ich Andreas höchsten Respekt für die Art und Weise, wie er sich der Diskussion gestellt hat. Mit dem gleichen Respekt haben wir als Vorstand in dieser Woche seinen Rücktritt als stellvertretender Vorsitzender angenommen - eine Entscheidung von Andreas, die ich persönlich zutiefst bedauere. Doch die Integrität, die Konsequenz, mit der Andreas so auf diesen Interessenkonflikt reagiert hat, zeigt eben auch, dass der DJV eins immer ist: zutiefst anständig.
Mit diesem Spirit sollten wir uns auch bei der Mitgliederversammlung treffen. Kontroversen nicht aussparen, Kritik genauso wenig. Aber mit Anstand und Augenmaß auf das hinarbeiten, worauf es ankommt: einen starken, zukunftsfähigen DJV. Für unsere Kolleginnen und Kollegen - und solche, die es werden wollen.
Steffen Grimberg