Berliner Zeitung versus Holtzbrinck:
Glaubwürdigkeit braucht Transparenz
Vom ehemaligen Spiegel-Chefredakteur Wolfgang Kaden ist der schöne Spruch überliefert: „Es gab in den 70er und 80er Jahren einen Grundkonsens: Wenn man etwas über einen anderen Verlag schrieb, rief man sich vorher an und entschuldigte sich vorab.“
Dass diese Zeiten längst vorbei sind, lässt sich direkt vor unserer Haustür besichtigen. Die Berliner Zeitung (BLZ) und die Holtzbrinck-Gruppe, bei dem die Zeit und der Tagesspiegel erscheinen, beharken sich vor Gericht. Der Hintergrund: Eine Geschichte in der Zeit vom vergangenen November, Titel: „Die Berliner Zeitung. Ihr Erlöser. Oder ihr Untergang“. Gemeint damit war der neue BLZ-Verleger Holger Friedrich. Der durch IT-Beteiligungen reich gewordene Unternehmer hatte das Blatt vor zwei Jahren gekauft und baut es seitdem um. Nach seinen Angaben ist die BLZ auf einem guten Kurs, der Zeit-Beitrag sprach dagegen von einem „Klima der Angst“ bei der Zeitung. Friedrich ging presserechtlich gegen verschiedene Aussagen des Beitrags vor und erwirkte in erster Instanz eine Gegendarstellung. Gegen die wehrt sich nun die Zeit, ein Urteil wird im März erwartet.
Zur neuen Struktur der BLZ gehört jetzt auch eine Wochenendausgabe mit eigener Redaktion und Chefredaktion. Hier erschien am vergangenen Samstag eine umfangreiche Geschichte über - erraten - über den Tagesspiegel und die Verlagsgruppe Dieter von Holtzbrinck. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt? Es geht um freundliche Berichte im Tagesspiegel über Start-Ups, an denen Tagesspiegel- und Zeit-Verleger Dieter von Holtzbrinck über seine Firma DvH Ventures selbst beteiligt ist. Dies werde dort aber nicht transparent gemacht, schreibt die BLZ. Holger Friedrich sagte dazu der Süddeutschen Zeitung, das Ganze habe nichts mit der Zeit-Geschichte vom November zu tun – auch wenn der Gedanke „naheliegend“ wäre.
Wie dem auch sei: Der Tagesspiegel tut gut daran, sich um die Vorwürfe zu kümmern. Die Chefredaktion hat bereits angekündigt, die internen Abläufe in der Redaktion und ihre Transparenzrichtlinien zu überprüfen. Es habe aber keinesfalls Einflussnahme auf die Berichterstattung gegeben.
Das wäre dann ja auch noch schöner. Doch schon die unbeeinflusste (positive) Berichterstattung über Firmen oder Aktionen, in denen das eigene Haus im Wortsinne Aktien hat, erweist der journalistischen Glaubwürdigkeit einen Bärendienst, wenn die Verbindungen nicht mit einem Disclaimer offengelegt werden. Gerade weil Glaubwürdigkeit den Medien von vielen Wirrköpfen generell abgesprochen wird, braucht es Transparenz, Transparenz, Transparenz. Wenn die Berichterstattung dann trotz solcher - offen gelegter - Zusammenhänge unabhängig und kritisch ist, tut diese Transparenz auch niemandem weh. Sie trägt gerade dann zur Glaubwürdigkeit bei.
Steffen Grimberg