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Systematisches Doping in Russland

Hajo Seppelt beim JVBB-Roundtable


Doping-Enthüller Hajo Seppelt (rechts) im Gespräch mit dem Chef der Tagesspiegel-Sportredaktion Friedhard Teuffel (links). Foto: JVBB.

Am vergangenen Mittwoch war Doping-Enthüller Hajo Seppelt beim JVBB zu Gast. Er berichtete über seine Recherchen, die zum Ausschluss russischer Leichtathleten von den olympischen Spielen in Rio führten.

Mit dem Thema „Doping im Sport“ beschäftigt sich Hajo Seppelt schon viele Jahre. Bereits 1999 veröffentlichte er zusammen mit dem Kollegen Holger Schück das Buch „Anklage: Kinderdoping. Das Erbe des DDR-Sports.“ Beim JVBB-Roundtable erklärte er dazu mit Blick auf die gegenwärtige Doping-Situation in Russland: „Das, was in den letzten Jahren in Russland passiert, trägt in Teilen Elemente des systematischen Dopings des DDR-Sports. Es ist erschreckend, dass sowas heute noch möglich ist. Das ist es, was mich ein Stück weit schockiert.“Während des anderthalb stündigen Gesprächs erläuterte der Enthüllungsjournalist, wie ihm das schwierige Recherchieren von Fakten gelang, die das systematische Doping unter staatlicher Regie in Russland belegten. Sein Fazit: „Ich finde, der russische Leichtathletikverband und auch andere russische Sportverbände haben jahrelang viele, viele Athleten auf der ganzen Welt um Medaillen und Preisgelder gebracht.“Die Unschuldsvermutung hält Hajo Seppelt  inzwischen für durchaus problematisch, soweit sie einzig und allein auf einem negativen Dopingtest basiert: „Ja, wie kann denn die Unschuldsvermutung in einem System gelten, das jahrelang positive Dopingtests vertuscht hat, das in großem Stil – und auch da wird noch mehr herauskommen – Dopingtests unter den Teppich gekehrt hat, die auffällig waren (Blutwerte z.B.), das Geld genommen hat, das Doping-Kontrollen verhindert hat, indem es Athleten flüchten ließ, wenn die Kontrolleure kamen!? Da gilt nicht die Unschuldsvermutung, finde ich, sondern da gilt: ‚Hier kann man kein Vertrauen mehr haben‘.“Im Verlauf der lebhaften Gesprächsrunde, die Friedhard Teuffel, Chef der Tagesspiegel-Sportredaktion, moderierte, ließ der 53-jährige Seppelt auch durchblicken, welchen Anfeindungen er nach der Ausstrahlung seiner mehrteiligen Filme „Geheimsache Doping“ ausgesetzt war und bis heute ist. Ein besonderes „Highlight“ war dabei unter anderem ein Interview mit dem russischen Staatssender „Rossija“, bei dem die Reporterin allerlei merkwürdige Fragen an den Journalisten richtete: Beispielsweise, ob er ein bezahlter Agent des Westens sei und warum er Russland denn schaden wolle. Als das russische Kamerateam dann auch noch ohne Seppelts Einwilligung dessen Schlafzimmer und Küche filmte und auch nach mehrfacher Aufforderung sein Appartement nicht verlassen wollte, machte der Enthüllungsjournalist schließlich von seinem Hausrecht Gebrauch und warf das Kamerateam kurzerhand hinaus: „Da hätte man natürlich gelassener reagieren können, aber irgendwann ist mir dann der Kragen geplatzt. Jetzt habe ich Etwas gelernt und weiß, wie es sich anfühlt, wenn das russische Staatsfernsehen kommt.“Angst vor einer Verfolgung des Privatmannes Hajo Seppelt hat der erfahrene Journalist indes nicht: Der gebürtige Berliner bleibt unerschrocken und wirkt alles andere als eingeschüchtert. Auch wenn zumindest sein Bewegungsprofil inzwischen offenkundig verfolgt wird und möglicherweise auch seine Online-Kommunikation mittlerweile Hackangriffen ausgesetzt sein dürfte. „Während ich in Russland war, habe ich mich nicht beobachtet gefühlt. Jedenfalls habe ich das damals gedacht“, schmunzelt Seppelt heute. Sein Bewusstsein änderte sich dann schlagartig im Frühjahr 2015: Damals hatte er einen Antrag für ein Interview mit dem russischen Sportminister Witali Mutko gestellt, auf den er keine Rückmeldung bekam. „Und dann fuhr ich halt durch Russland. Ich war nicht in Moskau, ich war woanders. Kaum war ich zurück in Deutschland, bekomme ich einen Artikel aus Russland weitergeleitet, in dem es hieß: ‚Herr Mutko hätte mich ja gerne eingeladen, aber ich wäre nicht gekommen. Stattdessen hätte ich mich in der russischen Provinz herumgetrieben‘. Da habe ich mich natürlich schon gefragt: Woher weiß denn der davon?“ Für seine langjährigen Recherchen zum Thema „Doping in der Leichtathletik“ hat Hajo Seppelt 2015 den Berliner Journalistenpreis „Der lange Atem“  erhalten. Die Auszeichnung des JVBB reiht sich in eine lange Liste von knapp 30 weiteren Preisen und Nominierungen aus dem In- und Ausland ein, die der Enthüllungsjournalist seit 1989 für seine journalistische Arbeit bekommen hat.Und wie geht es mit der Berichterstattung zum russischen Sport-Doping weiter? Es werde bereits in den nächsten Tagen weitere interessante Nachrichten in diesem Zusammenhang geben, kündigte Seppelt am Mittwochabend beim JVBB an. Zuviel versprochen hat der Journalist nicht: Bereits fünf Tage später bestätigte auch der am gestrigen Montag veröffentlichte McLaren-Report noch einmal das jahrelange, systematische Doping in Russland.

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