Russland lässt ARD-Journalisten nicht zur EM...
...und die UEFA kuscht
Steffen Grimberg (Foto: privat)
Für viele von uns beginnt heute Abend wieder die schönste Nebensache der Welt. Einen Monat lang rollt der Ball, bis dann im Londoner Wembley-Stadion der neue Fußball-Europameister gekürt wird.
Dass der Sport unpolitisch sei, galt schon früher nicht, wird aber als Mantra gerne weiter von den Verbänden wie der UEFA, dem IOC und diversen anderen wiederholt. Wie es in Wirklichkeit aussieht, ist erst heute Morgen wieder einmal deutlich geworden: Der preisgekrönte ARD-Sportjournalist Robert Kempe darf trotz UEFA-Akkreditierung nicht zur EM nach St. Petersburg.
Die russischen Behörden haben diese Akkreditierung nach einem „Hintergrund-Screening" abgelehnt. Dass eine Scheindemokratie wie Russland derart plump und dreist vorgeht, spricht Bände. Russland braucht kein „Hintergrund-Screening“, um auf den Trichter zu kommen, dass Robert Kempe garantiert nicht auf eine Schokoladenseiten-Inszenierung hereinfällt. Erst jüngst hatte sich Kempe mit seiner Berichterstattung über die Verflechtungen des vom Kreml gelenkten russischen Energiekonzerns Gazprom mit Europas Spitzenklubs beliebt gemacht.
Kempe ist Mitstreiter unseres Mitglieds Hajo Seppelt und wie dieser einer der profiliertesten Rechercheure in den nicht so schönen Bereichen der oft gar nicht so heilen Sportwelt. Seppelt und Kempe haben schon 2009 in „Geheimsache Doping: Die Doping-Drahtzieher der Leichtathletik“ Maßstäbe gesetzt, in den Folgejahren Dopingskandale im Radsport aufgedeckt, sind hinter die Kulissen der Olympischen Spiele in Nordkorea gestiegen und haben den deutschen IOC-Chef Thomas Bach auseinandergenommen.
Der aktuelle Fall ist die nahtlose Fortsetzung der Erfahrungen, die Seppelt selbst vor drei Jahren bei der Fußball-WM in Russland gemacht hatte. 2018 war Seppelt das Einreisevisum verwehrt worden. Begründung: Er stehe auf einer Liste von in Russland „unerwünschten Personen“. RT-deutsch versuchte schon 2016, Seppelt zu diskreditieren, warf ihm „Nutzung gefälschter Dokumente, Einsatz frei erfundener Zitate und unerlaubter versteckter Aufnahmen von russischen Sportlern“ vor. Tja, in Deutschland dürfen Journalisten auch mit versteckter Kamera arbeiten, wenn es um die Aufdeckung von Skandalen geht, die sonst nicht ans Licht kämen. In Russland gibt es für solche Doping-Beweise Einreiseverbot.
Unser Bundesvorsitzender Frank Überall hat den Ausschluss von Kempe mit dem einzig richtigen Begriff kommentiert: „Das ist ein inakzeptabler Eingriff in die Pressefreiheit“.
Eigentlich müsste man jetzt von der UEFA erwarten, dass sie ihren Einfluss als EM-Veranstalter geltend macht, um Kempe einreisen zu lassen. Doch was macht die „Spitzenorganisation“? Sie verweist lediglich darauf, dass er jetzt über aus all den anderen schönen Spielstätten berichten könne. Damit macht sie sich mal wieder zum Büttel undemokratischer Machthaber. Was vielleicht auch daran liegen könnte, dass Kempe auch bei der UEFA aktuell nicht viele Freunde hat. Denn seine Gazprom-Recherchen belegen auch die Verstrickungen von deren Funktionären mit der staatlichen gelenkten russischen Ball-Propaganda.
Soviel heute zum Thema Sport und Politik. Zum Glück gilt beim Fußball aber weiterhin eine Wahrheit, der selbst ein Vladimir Putin nichts anhaben kann: Gespielt wird auf’m Platz.
Steffen Grimberg