Stasiunterlagen-Behörde und Journalistenrecherche:
Widersprüche müssen aufgeklärt werden
Unser Editorial diesmal in eigener Sache – oder jedenfalls einer Sache, die Mitglieder von uns persönlich betrifft. Im Jahr 2015 hat die Stasiunterlagenbehörde (BStU) auf Anträge des Investigativressorts der „Bild“ hin Akten zu 15 Journalistinnen und Journalisten herausgegeben, bei denen festgestellt wurde, dass sie mit der Stasi kooperiert hatten. „Bild“ hat dazu mehrfach publiziert. Unter den eindeutigen Fällen fanden sich damals Funktionsträgerinnen und Funktionsträger (nach der Wende) der DJV-Landesverbände Brandenburg, Sachsen, Thüringen, zwei Vorstände des DJV Sachsen-Anhalt sowie ein Mitglied im Aufnahmeausschuss des JVBB, das daraufhin sofort den Verband verließ.
Was damals nicht bekannt war und jetzt der damalige Vorsitzende des DJV Berlin, Bernd Lammel, nach eigener Einsichtnahme über einen persönlichen IFG-Antrag erfahren und öffentlich gemacht hat: Im Zuge der damaligen Bearbeitung des „Bild“-Antrags hat die BStU in ihren Archiven nach Informationen zu insgesamt 164 Personen gesucht – darunter auch eine Reihe von ehemaligen Mandatsträgern des DJV Berlin. 104 dieser Namen wurden von „Bild“ eingereicht, weitere 60 kamen intern bei der BStU hinzu, weil der zuständige Archiv-Sachbearbeiter in deren Akten Informationen zu den von „Bild“ genannten Personen vermutete. Zur großen Mehrheit der Namen wurde offenbar gar nichts gefunden, sondern nur zu den oben erwähnten 15 Fällen. Offenbar nur zu diesen 15 Fällen wurde auch Material an „Bild“ übergeben – rund 1.000 Seiten insgesamt. Dass diese Personen mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet haben, war dabei unstrittig. In der BStU gab es allerdings unterschiedliche Rechtsauffassungen, ob diese Recherche in den eigenen Akten so zulässig war oder nicht. Das wird jetzt der Bundesdatenschutzbeauftragte klären.
Wir als Berliner-Brandenburger Landesverband haben uns in dieser Angelegenheit eng mit dem Bundesvorstand abgestimmt, der für den DJV in dieser Sache handelt und auch öffentlich spricht. Das macht schon deswegen Sinn, weil es sich bei der BStU um eine Bundesbehörde handelt und im Fall dieser Recherche auch andere Landesverbände betroffen waren. Ich arbeite gemeinsam mit dem Bundesvorstand, namentlich unserem Bundesvorsitzenden Frank Überall, an der Aufklärung dieser Sache. Um es ganz klar zu sagen: Sollte sich ergeben, dass hier gezielt DJV-Aktive aus Vorständen und anderen Gremien wegen ihrer Mitgliedschaft abgefragt worden sind, wäre das nach dem Stasi-Unterlagengesetz nicht zulässig. Wir erwarten hier von der BStU umfassende Aufklärung.
Was genau so klar ist: Recherche über die Arbeit und das Wesen der DDR-Staatssicherheit ist wichtig und sinnvoll. Vieles ist auch über 30 Jahre nach der friedlichen Revolution noch nicht aufgearbeitet. Wenn bei solchen Recherchen auch Journalistinnen und Journalisten in den Blickwinkel geraten, liegt das in der Natur der Sache und ist per se nicht kritikwürdig.
Dabei muss es aber fair und transparent zugehen. Gerade für Widersprüchlichkeiten ist angesichts des sensiblen Themas eigentlich kein Platz. Die gibt es aber. Um eine sachgerechte Bewertung vornehmen zu können, muss Klarheit herrschen. Bis wir die haben, brauchen wir noch viele Angaben, Informationen und Einschätzungen - von der BStU und vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass die Recherchen des rbb zum Thema ausdrücklich nicht Anlass für die BStU-interne so genannte „Massenabfrage“ im Jahr 2015 waren.
Ich weiß, dass diese Thematik in unserem Verband eine lange Vorgeschichte hat. Gerade deshalb ist jetzt nicht die Zeit für schnelle Schlussfolgerungen, Skandalisierungen oder Schuldzuweisungen. Daher die Bitte: Nehmen wir uns die Zeit, die nötig ist, um uns hier den nötigen Durchblick zu verschaffen und dann zu urteilen und zu handeln.
Steffen Grimberg